Nach den drei Tagen in Stettin zieht es uns heute weiter nach Osten, um den Charm der Ostsee zu entdecken. Unser Ziel ist Mielno, einem Badeort an der Ostseeküste 170 Kilometer östlich von Stettin. Wir fahren über teils gut ausgebaute Autobahnen, über viel befahrene Landstrassen, vorbei an unzähligen Strassenbaustellen. Es ist offensichtlich: Die Polen sind fleissig daran, ihr Strassennetz, teils mit Unterstützung der EU, auszubauen. Auf dem Weg machen wir kurz halt in Koszalin, um eine Mittagspause einzulegen.

In Koszalin angekommen, wir sind hin und her gerissen. Sollen wir unseren Camper irgendwo unbewacht am Strassenrand abstellen und riskieren, dass er ausgeräumt wird? Das wäre gegen unsere Regel, unser Büssli in grösseren Städten nur auf bewachtem Areal oder auf einem Camping abzustellen. Auch nach längerem Herumkurven finden wir keinen überwachte Parkmöglichkeit. Wir sehen aber viele protzige Autos rumstehen, so dass unser Büssli wohl nicht das erstbeste Opfer wäre. Nach einigen Überlegungen entscheiden wir uns schweren Herzens, ohne Besichtigung wieder abzuziehen und kein Risiko einzugehen. Denn wir sind noch nicht lange in Polen und möchten zuerst ein Gefühl dafür bekommen, wie sicher Polen tatsächlich ist.

Menschenmassen in Mielno

In Mielno angekommen finden wir gleich einen guten Campingplatz mit genug freien Plätzen mitten im Zentrum. Dieser ist offensichtlich für die Polen zu teuer, stehen hier nur Camperfahrer aus dem Westen. Hier in Mielno erleben wir erstmals das Chaos, vor welchem uns unsere Freunde gewarnt haben. Die Strassen sind vollgestopft und lange Autoschlangen machen das Fahren Nerven zehrend. Der Strand ist bis an den Horizont überfüllt mit badenden Polen. Die Stadt ist vollgestellt mit Frittenbuden, Touristenshops und einem Lunapark und quillt aus allen Nähten. Man fühlt sich irgendwo zwischen Oktoberfest und Ballermann. Jung und Alt, in Badeschlappen und den Lehnstühlen unter dem Arm gequetscht unterwegs zum nahen Strand.

Jetzt werden wir uns wieder mal bewusst, wie viel wir Glück haben, dass wir die meiste Zeit unserer Reise ausserhalb der Saison unterwegs sind und dass wir uns deshalb diesen Rummel nicht gewohnt sind. Und da sich nur wenige Polen Ferien im Ausland leisten können, verlagert sich in den zwei Sommermonaten halb Polen an die Küste. So ist unser Aufenthalt hier nur von kurzer Dauer. Wir verköstigen uns mit einem lauwarmen Kebab an einem der Essenstände. Drängen uns vorbei an den endlosen Verkaufsbuden und finden wenigsten noch ein Restaurant, wo wir halbwegs dem Rummel entfliehen können. Unsere Campernachbarn sind ehemalige Polen, die schon lange in Deutschland leben, einer davon arbeitet sogar in der Notfallabteilung in Chur. So ergeben sich einige interessante Gespräche und wir bekommen einige Insidertipps aus erster Hand über Polen mit.

Touristenmekka Leba

So gehts nach nur einer regnerischen Nacht über meist erstaunlich gute Fahrbahnen weiter, entlang schöner Landschaften und vielen von Kastanien gesäumter Strassen ins 150 Kilometer entfernte Leba. Hier möchten wir am nördlichsten Punkt unserer achtmonatigen Reise die riesige Wanderdüne Góry Białe besuchen und mit etwas Glück den Charm der Ostsee finden.

Kurz vor Leba stecken wir jedoch schon im Ferienstau wie am Gotthard und brauchen einiges länger als geplant, bis wir unseren Camping erreichen. Wir zweifeln schon daran, ob wir nicht zu spät sind, um noch einen freien Platz zu ergattern. Doch mit etwas Glück und ein wenig Suchen finden wir sogar einen lauschigen Platz direkt neben am Ufer eines Flusses.

Doch auch hier dasselbe Bild wie in Mielno. Auch hier stürzen wir uns wieder nicht ganz freiwillig ins Gewühl von tausenden von Erholungssuchenden. Spazieren zum Sandstrand und geniessen bei einer faden, nur halb durch gebackenen Pizza den Blick auf die sich an uns vorbei drängenden Menschenmassen. Uns fällt auf, dass es die Polen nicht so dezent, sondern eher üppig mögen. Sei es beim Essen. Oder bei der Wahl der Kleider. Vor allem Kleider mit Tarnmuster scheinen hier sehr beliebt zu sein – Putin sei Dank? Und vielleicht tragen auch deshalb hier viele Männer gerne oben Ohne, um ihre Muskeln oder ihre Bierbäuche zu Schau zu stellen? Oder ist dies auch vielleicht einfach das normale mitteleuropäische Ferien-Outfit, welches man zur Sommerzeit an allen Stränden Europas trägt…

Auch hier finden wir sehr freundliche Platznachbarn aus Deutschland, die schon oft hier im Osten in den Ferien waren und uns einige hilfreiche Tipps zum Reisen im Polen mit auf den Weg geben. Da vor ihrem Wohnmobil vier Angeln stehen und auf das Anbeissen von Fischen warten, erhofft sich Babs gleich noch einige Tipps zum Thema Fischen in Polen. Doch wie wir erfahren, ist jedenfalls hier in Leba nicht mehr viel zu holen. Unser Nachbar meint, dass hier Anfangs August wohl alles schon leer gefischt wurde. So ist unsere Hoffnung auf eine schmackhaften polnischen Zander zum Nachtessen nur von kurzer Dauer.

Wanderdüne Góry Białe

Schon während dem Smalltalk von gestern haben wir die vielen Steckmücken bemerkt, die herumschwirrten. Gleich nach dem Aufstehen machen wir uns als erstes ans Zählen der Mückenstiche. Alleine mein linker Fuss hat am Vorabend fünfzehn davon abbekommen. So lasse ich ab heute meine üblichen Sprüche wie ‘Mückenstiche gehören zum Camperleben’ oder ‘Antimückenspray ist nur was für Weicheier’ und lasse Antibrumm auch an meine Haut ran. Danach machen wir unsere Bikes startklar und los gehts zur 42 Meter hohen Wanderdüne Góry Białe. Wir fahren mit den Bike durch den Nationalpark. Soweit das Auge reicht nur Bäume – und Mücken. Am Fuss der Düne angekommen, schlagen nicht nur wir uns mit den Mücken rum. Doch schon oben auf der Düne angelangt sind die kleinen ekligen Dinger fast wie ausgestorben und wir geniessen den faszinierenden Rundblick. Danach gehts wieder runter zu unseren Bikes.

Inzwischen werden es immer mehr Touristen, die heute die Düne besuchen wollen und wir sind froh, schon auf dem Rückweg zu sein, als die grossen Massen eintreffen. Auf dem Rückweg legen wir noch einen Badestopp am endlosen Strand ein. Doch auch hier gibt es Störefriede in Form von Quallen, so dass wir schnell wieder dem Wasser entfliehen. Erst als wir wieder trocken sind und noch ein Sonnenbad nehmen, können wir beobachten, dass die Polen damit keine Probleme haben und sogar mit den Quallen spielen. Wieso hat uns niemand dies vorher gesagt..?

Nach der Rückkehr geniessen wir trotz den vielen Mücken den Abend bei einem feinen Stück Fleisch vom eigenen Grill in unserer lauschigen Ecke auf dem Campingplatz. Ist definitiv besser als der spottbillige Touristenfood aus der Frittenbude. Und den Charm der Ostsee ist hier neben unserem Wohnmobil doch einfach am schönsten.

Ohne Computer fühlt sich Stefan wie ein Fisch ohne Wasser. Auch Autofahren und Navigieren ist genau sein Ding. Wenn er sich nicht gerade mit Fotografieren beschäftigt, outet er sich als Nerd, was den Vorteil hat, dass wir unterwegs bzgl. Apps, Internetzugang, Offlinekarten etc. immer auf dem neusten technischen Stand sind. Daneben spricht er gut englisch, spanisch und portugiesisch - während Babs für's französisch zuständig ist. Die ideale Ergänzung also….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert