Mit einigen Mückenstichen reicher starten wir in den neuen Tag. Wir verlassen Leba und die Wanderdüne, welches gleichzeitig den nördlichsten Punkt unserer Reise markiert, und fahren 100 Kilometer östlich nach Danzig. Über lange, von vielen Bäumen gesäumte Landstrassen, meistens im erstauntlich gutem Zustand, gehts Richtung Osten in jene Stadt, mit der ich bis heute den Namen Lech Walesa, dem Gründer der Gewerkschaft Solidarność und Leitfigur des Wandels Polens in ein demokratisches Land verbinde. Oh schreck – auf dem Weg dahin meldet sich plötzlich unser Bordcomputer mit der Meldung, dass ein Ölwechsel und nach über 40’000 Kilometer auf dem Tacho somit auch ein grosser Service ansteht. Da wir damit nicht bis nach unserer Rückkehr warten können, entscheiden wir uns, dies gleich hier in Danzig zu erledigen. Bei dieser Gelegenheit können wir auch den Lackschaden an der Dachkante machen lassen, der durch das permanente Schaben eines unserer Bike-Lenkers verursacht wurde.

Odysee in Danzig

Dies wird jedoch anders als erwartet eine lange Odyssee. Gleich nach unserer Ankunft, noch am Vormittag, suchen wir uns eine offizielle Servicestelle von Fiat gleich in der Nähe der Altstadt. Dank der Fiat-App, die wir uns schon installiert haben, ist dies nicht besonders schwierig. Wir steuern also die Garage an. Doch leider können die uns nicht helfen. Da die Garage gerade umgebaut werde, teilt man uns mit, müssten wir fast einen Monat warten, bis unser Büssli gewartet und der Lackschaden repariert werden könne. So lange möchten wir jedoch definitiv nicht in Danzig ausharren. Zudem teilt man uns mit, dass für die Reparatur des Lackschadens das komplette Dach neu lackiert werden müsse und dies drei volle Arbeitstage in Anspruch nehme. Zum Glück wissen wir von einem Schweizer Fachmann, den wir per Zufall schon in Stettin fragen konnten, dass eine seriöse Reparatur tatsächlich so lange dauert.

Da die Fiat-App noch zwei weitere Adressen in der Umgebung von Danzig auflistet, geben wir nicht auf. Die nächste Fiat-Vertretung liegt nur zwanzig Kilometer entfernt. So fahren wir gleich weiter, in der Hoffnung, dass diese uns wenigstens Helfen kann. Die zweite Garage verweist uns für den Lackschaden jedoch gleich weiter an einen Partner einige Kilometer entfernt. Dort endlich nach einigen extra Kilometern Umwegen angelangt, macht uns der Laden nicht gerade einen seriösen Eindruck. Wir finden ein Gelände mit mehreren alten und verstreuten Gebäuden und vielen sanierungsbedürftigen und vor sich hinrostenden Autos. Eine Ansprechperson finden wir erst, nachdem wir ins Wohngebäude in die zweite Etage verwiesen werden. Dort erspähen wir in einem Zimmer einen älteren übergewichtigen Herren, der sich bequem in einem alten Lehnsessel sitzend ellenlang Zeit für ein Telefongespräch nimmt und keine Anstalten macht, uns seine Aufmerksamkeit zu widmen. So schleichen wir uns kurzentschlossen wieder raus und suchen mit einem mulmigen Gefühl im Magen das Weite.

Wir geben aber immer noch nicht auf. Denn schliesslich listet die Fiat-App noch eine dritte Adresse auf. Diese liegt jedoch vierzig Kilometer ausserhalb von Danzig, genau in der Richtung, aus der wir angereist sind. Wir entscheiden uns, dennoch einen letzten Versuch zu wagen und nehmen also die Strecke ein zweites Mal unter die Räder. Schon auf den ersten Blick macht uns diese Fiat-Vertretung jedoch einen seriösen Eindruck. Alles wirkt professioneller als bei den zwei vorherigen Vertretungen. Als wir sehr freundlich – was hier in Polen offensichtlich die Ausnahme ist – und erst noch auf englisch begrüsst werden fällt uns ein Stein vom Herzen. Auch wenn uns der Preis für polnische Verhältnisse eher hoch erscheint, werden wir uns doch schnell handelseinig.

Ende gut alles gut. Nach einer halben Stunde ist alles ausgehandelt und wir sitzen in unserem Mietauto, einem Fiat Punto, samt Gepäck für drei Tage und fahren die vierzig Kilometer zurück Richtung Danzig. Nun gilt es, drei Nächte lang ohne Büssli zu leben, bis der grosse Service erledigt und Lackschaden behobenen ist.

Eine neue Bleibe für drei Tage

Nun müssen wir also für drei Nächte eine neue Bleibe finden. Da wir uns an das Leben auf dem Campingplatz gewöhnt haben, fahren wir kurzentschlossen auf den Campingplatz von Danzig und hoffen, für die drei Nächte ein gemütliches Bungalow mieten zu können. Doch der angepeilte und einzige Campingplatz in der Nähe von Danzig ist zum Bersten voll. Doch Glück gehabt – ein einziges Bungalow ist kurzfristig doch noch zu haben – aber leider nur für zwei Nächte. Wir packen die Gelegenheit, denn wir haben heute mit Anreise und Suche total über zweihundert nicht ganz stressfreie Kilometer hinter uns und keine Lust mehr, jetzt noch nach einer anderen Unterkunft zu suchen.

Doch dieser Bungalow entspricht nicht gerade unseren vielleicht etwas zu romantischen Vorstellungen. Auf unserer Reise haben wir viele charmante und einladende Bungalows bewundert. Dieses gehört jedoch definitiv nicht in diese Kategorie. Miefiger Geruch, schlechte Matratze, lauter Kühlschrank und eine Einrichtung aus den 80ern im DDR-Design. Schon beim Anblick sehnen wir uns wieder nach unserem gemütlichen Wohnmobil zurück! Aber wir denken positiv und sagen uns: Es ist nur für zwei Nächte und immerhin haben wir ein Dach über dem Kopf.

Aber auch der Campingplatz macht keinen besseren Eindruck: Staus vor den Duschen. Dreckige Toiletten. Chaotische Organisation. Und die Camping eigene Verpflegungsstation wirkt nicht gerade einladend. Doch klagen nützt nichts. Denn unser Schlafzimmer, unsere Küche und unsere Toilette steht zurzeit in der Werkstatt. Voller Hoffnung und mit hungrigem Magen machen wir uns kurzerhand in der Umgebung auf die Suche nach etwas Essbarem und unternehmen einen kurzen Abendspaziergang an den nahe gelegen Strand gleich neben dem riesigen Frachthafen. Der fette Geschmack von Frittenbuden und Kebab liegt jedoch auch hier in der Luft. Fade Erinnerungen an den polnischen Fastfood der letzten Tage in Mielno und Leba kommen hoch. Nicht schon wieder Ernährung nach Touristenschema. Deshalb flüchten uns kurzerhand wieder zurück auf den Campingplatz und stellen uns brave in die Kolone, um das letzte – natürlich auf einem Pappteller angerichtet – Schnitzel mit Pommes zu ergattern. Babs ist wenigstens schlau genug und entscheidet sich für den gesünderen – weil nicht frittierten – griechischen Salat. Obwohl griechisch vielleicht nicht ganz zutreffend ist. Aber ist ja egal. Hauptsache etwas zwischen den Zähnen.

Dies war definitiv nicht unser Tag. Doch zum Trost treffen wir beim faden Essen auf zwei Schweizern und können mit ihnen über die unfreundlichen Polen, die Unmengen von Touristen und die nicht gerade einladenden Campingplätze Witze reissen. So gehts unserer Psyche schon bald wieder etwas besser…!

 

Ohne Computer fühlt sich Stefan wie ein Fisch ohne Wasser. Auch Autofahren und Navigieren ist genau sein Ding. Wenn er sich nicht gerade mit Fotografieren beschäftigt, outet er sich als Nerd, was den Vorteil hat, dass wir unterwegs bzgl. Apps, Internetzugang, Offlinekarten etc. immer auf dem neusten technischen Stand sind. Daneben spricht er gut englisch, spanisch und portugiesisch - während Babs für's französisch zuständig ist. Die ideale Ergänzung also….

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