Wir liegen noch immer in Katno an einem kleinen See vor Anker. Unser Ziel für die nächsten Tage ist, noch weiter in die Masuren zu fahren, um die Ruhe und Schönheit dieser Gegend zu geniessen. Danach möchten wir noch die Wolfsschanze, das Führerhauptquartier von Hitler im zweiten Weltkrieg zu besuchen.

Begegnung mit Polen

Heute morgen werden wir von einem heftigen Gewitter aus dem Tiefschlaf geholt. Direkt über uns entladen sich Donner und Blitz. Die Hunde auf dem Camping bellen was das Zeug hält. So ist binnen weniger Minuten der ganze Camping auf den Beinen.

Gestern Abend hatten wir noch ein aufschlussreiches Gespräch mit einem deutsch-polnischen Pärchen und konnten ein weiteres Mal viel interessantes über die Zeit vor und während der Wende erfahren. Sie erzählten uns, dass die Zeit in den 80ern, als die Sowjetunion langsam auseinander brach und die Ostblockstaaten auf sich selber angewiesen waren, sehr hart waren. Dass die Regale leer waren und es Lebensmittel-Rationierungen mit Essensmarken gab. Und dass auch die sozialen Unruhen zu dieser Zeit sehr heftig waren. Auf die Frage, ob sie froh seien über die Wende, kam nur ein Müdes lächeln zurück. Und dass die Polen heute ein grosses Nachholbedürfnis hätten um alles nachzuholen, was sie zu Zeiten des Sozialismus verpasst hätten. Zum Schluss meinte sie, dass das Russisch, welches sie als Kind 10 Jahre lang mühsam habe lernen müssen, jedenfalls vergebens gewesen sei.

Polen – Land der Tausenden Seen

Nachdem wir uns in unserem wasserdichten Camper vom Regen geschützt mit einem feinen Frühstück gestärkt haben, gehts weiter gen Osten. Endlich wollen wir die masurische Seenplatte erreichen. Wir fahren 100 Kilometer, entlang vieler Strassenbaustellen, vorbei an typisch polnischen Landhäusern und durch die weite polnische Landschaften nach Mragowo.

Zehn Kilometer weiter finden wir unseren zauberhaften Campingplatz mit den vielsagenden Namen Seeblick – der Camping wir von Deutschen geführt – an einem wunderschönen kleinen See – einer von zirka 9000 in ganz Polen. Wir staunen nicht schlecht: Hier hat es jede Menge Platz, nur eine handvoll Camper, ein kleiner Strand und einen fantastischen Blick über den ganzen See – Idylle pur! Dazu können Kajaks, Pedalos und Ruderboot kostenlos genutzt werden, Strom und Internet ist auch da. Und weit und breit keine Frittenbude und kein Touristenrummel. Was will man mehr!

Hier geniessen wir drei Tage lang bei angenehmen Wetter das Leben und das süsse Nichtstun. Babs nutzt die Zeit, um ihrem Hobby nachzugehen – dem Fischen. Doch leider erfolglos. Ich kümmere ich mich in der Zwischenzeit um meine Pflichten als selbständiger Unternehmer: Ich nutze die Zeit, um meinen neuen Internetauftritt für mein Fotoatelier soweit fertig zu stellen, dass er schon bald bereit zur Aufschaltung ist. Für mich nach über 150 Stunden Arbeit ein Meilenstein und gleichzeitig ein grosse Erleichterung.

Heilige Linde

Nach diesen drei erholsamen Tage geht’s weiter nach Görlitz, dem nordöstlichsten Punkt unserer Reise. Hier wollen wir die Wolfschanze, das ehemalige Führerhauptquartier von Hitler besuchen. Auf dem Weg dahin besuchen wir im bis 1945 ostpreussischen Ort Heilige Linde eine der bekanntesten polnischen Wallfahrtskirchen. Der Anblick dieser von Papst Johannes Paul II 1983 zur Basilika erhobenen barocken Kirche erinnert uns die pompösen Kirchen Spaniens und die kitschige Verherrlichung Marias.

Die Basilika wurde kürzlich frisch renoviert und stahlt in neuen Glanze. Irgendwie grotesk fanden wir die unzähligen Shops rund um die Basilika, wo es direkt neben knalligen Marienstatuen auch Luftgewehre und Micky Maus Figuren zu kaufen gibt.

Wolfsschanze

Nach diesem kurzen Abstecher in die für uns etwas befremdenden katholischen Gefilde geht’s direkt zur Wolfsschanze und dem parkeigenen Stellplatz. Da dieser innerhalb des Besuchergeländes liegt sind wir nicht an die Öffnungszeiten angewiesen und besuchen die Anlage erst im Abendlicht, als die meisten Besucher schon wieder weg sind. So können wir in Ruhe die Anlage besichtigen.

Vom ehemaligen Hauptquartier ist ausser Ruinen nicht viel übrig geblieben. Denn die Deutschen haben Anfangs 1945 vor der anrückenden Roten Armee alle hundert massiven Gebäude in die Luft gesprengt. Die Trümmer der verschiedenen Lagergebäude, Bunkeranlagen und Unterkünfte türmen sich immer noch meterhoch, sind teilweise überwuchert und wirken wie eine Felsenlandschaft mitten im Wald.

Beim Anblick sind wir über die Dimensionen und den sechs bis acht Meter dicken Betondecken der ehemaligen Gebäude erstaunt. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass von hier aus viele der brutalsten Aktionen während der sechs Jahre Krieg geplant wurden, sind diese Ruinen unglaublich Eindrücklich.

Weiter nach Warschau

Nach einigen feuchtfröhlichen und gleichzeitig sehr aufschlussreichen Nachtstunden mit einem jungen ‘Ossis’-Pärchen habe auch ich den Weg ins Bett gefunden. In den nächsten zwei Tagen steht eine grosse Reise an. Wir möchten in zwei Etappen direkt nach Südpolen durchfahren. Heute, am ersten Tag, möchten wir es mindestens zum 260 Kilometer entfernten Warschau schaffen. Und tatsächlich. Nach etwas mehr als vier Stunden Fahrt entlang grosser Strassenbaustellen, auf langen Landstrassen, durch menschenleeren Landschaften und  Stecken mit viel Verkehr kommen wir an unserem geplanten Stellplatz an.

Doch hier sind wir so schnell weg wie wir gekommen sind. Dreckig, unfreundlich, und nicht sehr einladend. So fahren wir südlich von Warschau auf den nächsten Camping, der aber nur Platz für zehn Womos haben soll. Doch wir haben einmal mehr Glück. Denn erstens ist der Platz sauber, freundlich und einladend. Und zweitens ist noch ein Platz zu haben. So beziehen wir einen der wenigen noch freien Plätze und erholen uns von der ziemlich anstrengenden Fahrt. Die meisten Camper nach uns haben Pech und müssen mit enttäuschter Mine anderswo eine Bleibe suchen.

Weiter nach Südpolen

Heute haben wir unseren zweiten ‘Fahrtag’ auf dem Programm, denn wir möchten 330 Kilometer weiter nach Auschwitz in Südpolen fahren. Wir verzichten auf einen Besuch von Warschau. Nicht weil es uns nicht reizt. Doch mit Krakau, Budapest und Zagreb stehen uns noch mehrere besuchenswerte Städte auf unserem Programm. Nach einem kurzen Frühstück kämpfen wir uns also quer durch Warschau und mitten im quälenden Stau Richtung Süden. Wir können wieder einmal aus nächster Nähe erleben, wie das ganze Strassennetz Polens zurzeit einer Grossbaustelle gleicht. Im ganzen Land werden im Eiltempo grosse Autobahnen aus dem Boden gestampft. So fahren wir im Schneckentempo mitten im Stau entlang dieser riesigen Baustellen. Nach fast sechs Stunden erreichen wir endlich unseren Platz direkt neben den Toren der Gedenkstätte auf dem Gelände des Zentrums für Dialog und Gebet und richten es uns gemütlich ein.

Ohne Computer fühlt sich Stefan wie ein Fisch ohne Wasser. Auch Autofahren und Navigieren ist genau sein Ding. Wenn er sich nicht gerade mit Fotografieren beschäftigt, outet er sich als Nerd, was den Vorteil hat, dass wir unterwegs bzgl. Apps, Internetzugang, Offlinekarten etc. immer auf dem neusten technischen Stand sind. Daneben spricht er gut englisch, spanisch und portugiesisch - während Babs für's französisch zuständig ist. Die ideale Ergänzung also….

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