Nach über 120 Kilometer Fahrt über die Deiche der Deltawerke, vorbei an Rotterdam, kommen wir in der Nachbarstadt Delft an. Sie soll viel schöner als Rotterdam und schöner als Amsterdam sein. Nur eben viel kleiner und charmanter. Hier gibts für mich nach dem Einrichten zuerst mal eine Runde schwimmen im Camping eigenen Pool. Um etwas abzukühlen. Denkste! Ich stehe in Badehosen vor dem Schwimmbecken und sehe vor lauter Kinder, Eltern und aufblasbaren Schwimmhilfen das Wasser nicht mehr. Die Hochsaison lässt grüssen! So gibts immerhin als Trost ein feines Nachtessen von meiner begabten bordeigenen Köchin.

Nach einer ruhigen Nacht ist für mich wieder mal etwas arbeiten angesagt. Babs macht in der Zwischenzeit einen Bummel im nahe gelegenen IKEA um sich ein bequemeres Schlafkissen zu besorgen. Am Nachmittag gehts dann gemeinsam mit dem Bike ins Zentrum von Delft. Hier fühlen wir uns gleich wohl. Die Stadt besteht aus vielen alten und kleinen Häusern im typischen Backsteinstil. Kleine Läden, hübsche Gassen und viele Grachten machen diese Stadt sehr sympatisch und wir geniessen einen genussvollen Nachmittag und eine gemütliche Bikefahrt am nahen künstlich angelegten See.

Das velofreundliche Holland

Endlich können wir uns hier persönlich vor Ort davon überzeugen, dass Holland ein Eldorado für Velofahrer ist. Hier wird den Zweirädern sehr viel Respekt entgegen gebracht. Breite Radwege, eigene Fahrstrassen, gute Beschilderung und ein sehr engmaschiges Netz bringen Jung wie Alt dazu sich aufs Rad zu schwingen. Und es wird nach wie vor viel Geld in die Hand genommen um sogar Brücken und Unterführungen ausschliesslich für Velofahrer zu erstellen. Was uns hier in Holland auch auffällt: Die Innenstädte sind viel belebter als noch in Frankreich oder vorher auf der Iberischen Halbinsel. Auch kleine Geschäfte scheinen hier noch gut Existieren zu können. Vielleicht auch ein Verdienst der velofreundlichen Politik? Dass die Bewohner nach wie vor lokal einkaufen? Und nicht per Auto in die Shoppingcenter der nahen Industriezonen pilgern? Hier könnten wohl noch einige ausländische Politiker etwas dazulernen. Holland macht es vor!

Richtung Ostfriesland

Heute geht die Fahrt fast 200 Kilometer weiter Richtung Ostfriesland. Beim Frühstück bekommen wir noch überraschenden Besuch. Auf unserer grünen Terrasse watschelt eine Entenfamilie gemütlich an unserem Tisch vorbei. Wir müssen schon um 10.30 Uhr den Platz auf dem Camping räumen. Deshalb heisst es Gas geben. Frisch geduscht, das Briefing mit meiner Assistentin erledigt, Velos montiert, Abwasser und Toilette geleert und Frischwasser aufgefüllt gehts los Richtung Osten.

Siedlung de Realiteit

Als erstes Besuchen wir auf unserem weiten Weg eine Siedlung nördlich von Amsterdam, nachdem wir uns entschieden haben Amsterdam für ein andermal aufzusparen. Diese Siedlung de Realiteit in Almere ist das Ergebnis eines Architekturwettbewerb. Ziel war es innovative Architektur, zeitgemässe Energiegewinnung- und neue Wohnformen losgelöst von allen Reglementierungen und Bauvorschriften zu fördern. Die besten 17 Ideen wurden 1987 hier in der Realität gebaut und werden grösstenteils heute noch bewohnt. Ich finde einige der Bauten überaus gelungen und viele der Ideen finden sich heute in der modernen Architektur wieder.

Wir fahren weiter entlang riesiger Felder mit Weizen, Kohl, Mais und Kartoffeln. Unterqueren eine Flugpiste, mehrere Wasserkanäle und sogar eine Schleuse. Wir fahren über unendlich lange Deiche die bis zum Horizont reichen. Entlang unzähliger alter Windräder und neuer Windkraftwerken, welche hier zum normalen Landschaftsbild gehören wie bei uns die Berge. Und wir verstehen jetzt, dass Holland trotz seiner Kleinheit zu den grössten Agrarproduzenten weltweit gehört. Denn wir fahren entlang riesiger Gewächshäusern mit Horssol Tomaten, Gurken und Peperonis für halb Europa.

Enkhuisen

Unser Womo-Reiseführer machte es uns nicht einfach. Jede zweite grössere Ortschaft in den Niederlanden wird als sehr schön und besuchenswert bezeichnet. Wir entscheiden uns kurzentschlossen für Enkhuisen und drehen bei einem Zwischenhalt eine Runde in dieser idyllische Stadt. Diese Kleinstadt ist eine der vielen charmanten Städte, die durch ihre vielen Kanäle, eng aneinander gebauten Backsteinhäusern und niedrigen Gebäuden einen heimeligen Charm ausstrahlen.

Unsere Endstation nach über 200 Kilometern ist für heute Den Ouver am nördlichen Ende der Halbinsel Nordholland. Von hier aus werden wir morgen den Deich mit dem schwierig auszusprechenden Namen Afsluitdijk befahren. Der Deich ist mit zirka 30 Kilometern doppelt so lange wie der Gotthardtunnel. Während unsere Campernachbarn die Satellitenschüssel hochfahren und sich vor dem Fernseher bequem machen schreibe ich noch etwas an unserem Blog und Babs bereitet die Tagesziele für den morgigen Tag vor.

Ohne Computer fühlt sich Stefan wie ein Fisch ohne Wasser. Auch Autofahren und Navigieren ist genau sein Ding. Wenn er sich nicht gerade mit Fotografieren beschäftigt, outet er sich als Nerd, was den Vorteil hat, dass wir unterwegs bzgl. Apps, Internetzugang, Offlinekarten etc. immer auf dem neusten technischen Stand sind. Daneben spricht er gut englisch, spanisch und portugiesisch - während Babs für's französisch zuständig ist. Die ideale Ergänzung also….

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