Nun haben wir schon dreiviertel unserer Reise und bald 17’000 Kilometer hinter uns und starten in die letzte Runde. Nach gut 20 Tagen in Polen geht es von unserer letzten Station in der Salzmine Nähe Krakau rund 150 Kilometer südlich Richtung Slowakei in die Tatra. Die Tatra liegt im Grenzgebiet von Polen und der Slowakei und ist das kleinste Hochgebirge Europas mit dem höchsten Gipfel auf gut 2600 Meter über Meer. Wir freuen uns nach über drei Monaten Flachland endlich wieder richtige Berge zu sehen. Denn auf unserer Reise durch Westfrankreich, Belgien, Holland, Norddeutschland und Polen sind wir seit den Pyrenäen keiner Erhebung begegnet, die höher als 300 Meter war. Als eingefleischte Schweizer hat dies zu Entzugserscheinungen geführt. Hier hoffen wir, endlich wieder eine richtige Biketour machen und unseren Kreislauf auf Hochtouren bringen zu können. Mal schauen, wie viel unsere Muskeln nach den letzten sportarmen Monaten noch hergeben.

Thermalbad in Bukowina Tatrzańska

Bevor wir richtig in die Pedalen treten braucht es natürlich eine passende Vorbereitung. Deshalb ist unsere erste Station in der Tatra das Thermalbad in Bukowina Tatrzańska auf der polnischen Seite. Denn diese Region ist bekannt für ihre vielen Thermalquellen. Nach unserer Fahrt von Krakau landen wir auf dem riesigen Parkplatz direkt vor dem Thermalbad, wo wir nicht nur parken sondern nach einem erfrischenden Bad in der Therme auch gleich übernachtet. Nach zwei Stunden baden und sprudeln werden unsere Finger langsam weich und es wird Zeit, noch etwas auf einer Liege zu dösen. Danach gehts zum Entspannen in unsere Nachtquartier direkt auf dem inzwischen leer gefegten Parkplatz.

Die Lenzerheide lässt Grüssen

Nach einer ziemlich kühlen Nacht auf 900 Meter fahren wir heute rüber auf die slowakischen Seite der Tatra. Hier in der Tatra fühlen wir uns fast nach Flims oder in die Lenzerheide versetzt – fehlen nur noch der Heid- oder der Crestasee: Charmante Dörfer, rustikaler Baustil, gemütliche Kneipen, weidende Kühe, Tannenwälder und im Hintergrund die über 2000 Meter hohen Spitzen der Tatra. Einfach nur schön und genau das, was wir gebraucht haben.

Wir passieren den verlassenen Grenzübergang und fahren rüber in die Slowakei. Was uns gleich auffällt: Die Strassen sind hier viel breiter als in Polen. Willkommen im Land der Automobilindustrie. Kein Land in Europa produziert mehr PKW’s als die Slowakei. Über eine Million Peugeot’s, Citroen’s, Hyundai’s, Kia’s, Skodas, VW’s und bald auch Jeep und Landrover werden hier jährlich vom Band gelassen. Die Gründe dafür sind, dass die grossen Autoproduzenten wegen des Landeswährung in Euro keine Währungsrisiken in Kauf nehmen müssen, die Lohnkosten sehr tief sind und schon zu Ostblockzeiten eine starke Industrie vorhanden war.

Slowakei – Back to nature

Unsere Fahrt geht weiter Richtung Hohe Tatra nach Tatranská Lomnica. Hier auf 800 Meter über Meer haben wir einen tollen Zeltplatz gefunden mit Blick über die halbe Slowakei und die Berge der Tatra. Der Zeltplatz ist wunderschön gelegen aber auch sehr einfach eingerichtet. Kaum hier in Tatranská Lomnica angekommen juckt es uns unter den Fingernägeln und wir machen uns auf den Weg um das Gebiet per Bike zu erkunden. Auf einer kleinen aber nicht ganz unanstrengenden Warmup-Tour gehts steinige Wege hoch, durch weite Wälder und vorbei an rauschenden Wässerfällen. Und mit einer rasanten Talfahrt als krönender Abschluss – wir sind definitiv wieder in unserem Element angekommen.

Nach der Rückkehr gibts eine erfrischenden Dusche – aber nicht alleine. Die zwei Männerduschen sind je mit einem kleinen Durchlauferhitzer bestückt und durch nichts voneinander getrennt – willkommen Nachbar. Im Vergleich zu den meisten anderen von uns bereisten Ländern ist hier etwas ziemlich ungewohnt: Wo wir normalerweise mit unserem Kastenwagen eher zur Einsteigerklasse unter den Campern gehören, kann man uns auf diesem Zeltplatz schon fast zur den Luxuscampern zählen. Denn die Mehrheit der Camper auf diesem Platz sind einheimische Slowenen und die übernachten gleich neben ihrem Fahrzeug im Zelt.

Frische Temperaturen

Die ersten Vorboten des Herbsts sind im Anmarsch. Der Wetterbericht hat für kommende Nacht ziemlich tiefe Temperaturen von nur 6 Grad angesagt. So ziehe ich mir seit langem das erste Mal wieder meine langen Trainerhosen und Socken ins Bett an und isolieren die Hintertüre von innen so gut es geht mit einem Tuch, damit es nicht reinzieht. Babs deckt sich zusätzlich mit ihrem erst gestern erworbenen Schafsfell bis unter die Ohren zu. Denn unser Gas wird langsam knapp und wir möchten wenn möglich noch ohne Heizen auskommen, denn diese braucht ziemlich viel. Nach einer kalten Nacht stehe ich wie gewohnt als erster auf und mache meinen Morgensport (Babs nennt dies schmeichelhaft Altersturnen), während auf dem Herd der Kaffee köchelt. So steigt die Temperatur im Büssli schwubsdibum von kalten 10 Grad auf fast angenehme 16 Grad. Im Vergleich zu den Slowaken, die draussen vor unserem Womo in ihrem Zelt oder im Auto ihr Frühstück zu sich nehmen schon ziemlich luxuriös.

Ohne Computer fühlt sich Stefan wie ein Fisch ohne Wasser. Auch Autofahren und Navigieren ist genau sein Ding. Wenn er sich nicht gerade mit Fotografieren beschäftigt, outet er sich als Nerd, was den Vorteil hat, dass wir unterwegs bzgl. Apps, Internetzugang, Offlinekarten etc. immer auf dem neusten technischen Stand sind. Daneben spricht er gut englisch, spanisch und portugiesisch - während Babs für's französisch zuständig ist. Die ideale Ergänzung also….

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